Thomas Kahn
Veröffentlicht in STUD.Jur 1/2024, S. 17 f. • Kurzbeschreibung anzeigen
Das zentrale Problem für den Erfolg in unserem Studium besteht darin, eine kaum überschaubare Menge an Wissen über Jahre zu behalten. Es ist nicht die Fähigkeit, sich den Stoff möglichst schnell einzuverleiben oder ihn zu verstehen. Der Flaschenhals ist das Im-Kopf-Behalten, das Verhindern des Vergessens einer größeren Menge an Wissen über einen längeren Zeitraum. Dafür gilt es primär eine Lösung zu finden.
Es macht einen gewaltigen Unterschied, wie du das Thema Lernen angehst. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansätzen sind ähnlich groß wie zwischen einem manuellen Schraubenzieher und einem Akkuschrauber. Mit den richtigen Werkzeugen ist es tatsächlich möglich, Wissen von Anfang an langfristig zu behalten – anstatt das meiste in den Semesterferien wieder zu vergessen und dann in der Examensvorbereitung quasi bei null anzufangen. Um dieses Schicksal zu vermeiden, ist es eben sinnvoll, von Anfang an die richtigen Werkzeuge einzusetzen.
Man könnte nun naiv annehmen, dass dir diese überlegenen Ansätze an der Uni gleich zu Beginn beigebracht werden, aber das ist nicht der Fall. In der Studentenschaft haben sie in den letzten zehn Jahren organisch eine gewisse Popularität erlangt, aber viele haben ihren Nutzen auch heute noch nicht erkannt. Darin liegt eine Chance für die jenigen, die sich die Mühe machen, selbst nach effektiven Lernmethoden zu suchen.
Fündig wird man insofern meiner Erfahrung nach eher im außerjuristischen Bereich, da juristische Lernratgeber und Blogposts oft daran kranken, dass sie nur das überlieferte kollektive Wissen, „wie man eben Jura lernt“ wiedergeben, ohne sich näher mit den Ergebnissen der empirischen Lernpsychologie auseinanderzusetzen. Ein Beispiel dafür: Die Lerntypentheorie – ein Ansatz, der in der seriösen Lernforschung seit langem als widerlegt gilt – wird in unserem Fach weiterhin gerne als gesichertes Faktum präsentiert. Umgekehrt wird oft nicht klar herausgestellt, dass es andere Phänomene (wie den spacing effect und den testing effect) gibt, die über eine hervorragende Evidenzbasis verfügen.
Ein weiterer Hinweis: Was Professoren zum Thema Lernen sagen, ist aus meiner Sicht oft performativ. Wenn wieder einmal auf das „stupide“ Auswendiglernen geschimpft wird, das doch unbedingt durch Verstehen ersetzt werden sollte, ist es wert, sich zu fragen: Geht es demjenigen gerade vielleicht nur darum, seine Überlegenheit zur Schau zu stellen, weil er solche simplen Techniken nicht nötig hatte? Aus meiner Sicht handelt es sich dabei um ein Paradebeispiel für luxury beliefs.
Woran erkennst du also, welche Lerntipps wirklich nützlich sind? Dafür würde ich die folgenden Indizien nennen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Sie enthalten konkrete, anwendbare Schritte, wie du vorgehen sollst, anstatt nur wohlklingender Phrasen, bei denen unklar ist, wie du sie in deinen Lernalltag integrierst.
Sie lassen sich ohne großen Aufwand ausprobieren. Tu das und vergleiche: Lernst du besser, wenn du diesem Ansatz folgst oder kostet er nur Zeit?
Sie verweisen für ihre Wirksamkeit auf empirische Studien. (Deren Lektüre empfiehlt sich dann natürlich ebenfalls.)
Sie wurden dir von jemandem empfohlen, der eine Leistungssteigerung erfahren hat, die er auf diese Techniken zurückführt. Hier lohnt es sich tendenziell noch genauer hinzuhören als bei jemandem, der schon immer gut war, egal, welche Techniken er angewandt hat.
Popularität ist hingegen nicht unbedingt ein gutes Kriterium für die Nützlichkeit eines Ansatzes. Dass eine Technik Sinn ergibt und anderen im objektiven Vergleich überlegen ist, bedeutet leider nicht zwangsläufig, dass sie sich auch universell durchsetzt. Die Geschichte der Lernpsychologie ist voll von verpassten Chancen. Bereits 1988 erschien im American Psychologist ein Aufsatz mit dem Titel: The spacing effect: A case study in the failure to apply the results of psychological research. Geh also nicht automatisch davon aus, dass die Standardherangehensweise auch die beste ist, sondern mach dir deine eigenen Gedanken und vor allem scheue dich nicht davor, auszuprobieren, auszuprobieren, auszuprobieren und zu vergleichen, was funktioniert.
Ein Wort zur Studienliteratur in unserem Fach: Verfasser von Lehrbüchern schreiben meist aus Expertenperspektive und tun sich oft schwer damit, sich in die Lage eines Anfängers hineinzuversetzen, der noch keine Ahnung von dem zu vermittelnden Stoff hat. Anstatt zunächst die Basics eines Rechtsgebiets überblicksartig zu erläutern, sind die meisten Lehrbücher und Skripte so aufgebaut, dass sie zunächst Thema 1 in extremem Detail abhandeln, dann Thema 2, dann Thema 3 usw. Das führt dazu, dass man oft erst am Ende einen wirklichen Überblick erlangt. Die bis dahin bestehende Verwirrung könnte durch ein anderes Vorgehen möglicherweise reduziert werden; wichtig für dich ist jedenfalls, dass du deshalb nicht gleich an dir zweifeln musst. Die meisten von uns sind mit diesem Gefühl ebenfalls intim vertraut.
Nichts geht über die Basics. Nicht jede Information in unserem Fach ist gleich wichtig. Eine vergleichsweise kleine Menge an Stoff ist überproportional relevant – sowohl für das eigene Verständnis als auch für die Ergebnisse im Examen. Das ist sowohl das Ergebnis meiner eigenen Examenserfahrungen als auch eine Einschätzung, die in den Interviews, die ich mit guten Absolventen geführt habe, immer wieder vorkommt. Die meisten Klausuren scheitern nicht daran, dass der Verfasser irgendein neues Urteil nicht gelesen hat, sondern an mangelnder Grundlagenkenntnis. Diese gilt es vor allem anderen aufzubauen. Ein Bonus davon: Durch die Konzentration auf das Basiswissen wird die Stoffmenge überhaupt erst beherrschbar.
Was sind nun die überlegenen Lernwerkzeuge, von denen ich oben gesprochen habe? Vor dem Hintergrund, dass das Hauptproblem in unserem Fach eben darin liegt, große Wissensmengen langfristig zu behalten, lautet die Antwort aus meiner Sicht: Anki in Verbindung mit den Jura-Vorlagen. Dafür würde ich folgendes Argument anführen:
Alles Wissen – auch solches, das du verstanden hast – muss wiederholt werden, anderenfalls wirst du es wieder vergessen. Use it or lose it.
Es gibt keine bessere Möglichkeit, juristisches Wissen langfristig zu wiederholen als Anki, erweitert um die Funktionen der Jura-Vorlagen: Anki selbst verfügt über einen modernen Wiederholungsalgorithmus. Die Jura-Vorlagen ermöglichen es, den Lernstoff in kleine, überschaubare Portionen aufzuteilen und getrennt abzufragen. Beides zusammen bewirkt, dass das Programm berechnen kann, welche Informationen du bereits wie gut beherrschst und wann du sie wiederholen solltest, um sie nicht zu vergessen. Wenn du das tust und Anki regelmäßig nutzt, kannst du dir sicher sein, dass du alles Gelernte im Kopf behältst. Elegant ist daran, dass du dich immer nur mit solchem Wissen beschäftigst, das du sonst bald wieder vergessen würdest. Verglichen mit einer Wiederholung nach Themenblöcken (z.B. BGB AT) ist das um ein Vielfaches effizienter, weil du bei letzterer natürlich auch immer einiges wiederholst, das du noch gut beherrschst.
Ein Tipp zum Schluss: Während viele betonen, wie wichtig die Nachbereitung von Vorlesungen ist, verspricht deren Vorbereitung aus meiner Sicht einen wesentlich größeren Return on Investment. Wer bereits mit Vorwissen an einer Vorlesung teilnimmt, hat wesentlich mehr davon, weil er neue Informationen in ein bereits bestehendes Wissensnetz einfügen kann und bereits Bekanntes noch einmal in einem anderen Kontext hört. Ggf. ist man sogar dazu in der Lage mitzuarbeiten, was die Erinnerung daran ebenfalls zusätzlich verstärkt. Ein kurzes Skript bereits vor Vorlesungsbeginn in Anki einzugeben, kann daher überraschend lohnenswert sein.
Dieser Text kann vieles nur anreißen, das es wert wäre, weiter ausgeführt zu werden, aber er enthält einige Punkte, die mich damals irritiert haben und die ich mir erst später erklären konnte. Falls er dir dabei hilft, diese Herausforderungen besser zu meistern, freue ich mich. Viel Erfolg in unserem interessanten Studiengang!
Thomas Kahn hat sich mit Anki erfolgreich auf das erste und zweite Staatsexamen vorbereitet (Noten: gut und vollbefriedigend). Er ist Autor der Basiskarten Jura sowie des Lernratgebers Lernapotheke für Juristen.